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Wüstungen bei Jüterbog

 

    Beiträge zur Wüstungskunde im Jüterboger Umland
    Teil 1

     

    Andreas Trotz:
    Spätmittelalterliche Wüstungen im ehemaligen Land Jüterbog
    Versuch einer interdisziplinären Lokalisierung früherwähnter Orte des 12. Jahrhunderts

     

     

    (Auszug aus einer künftigen Veröffentlichung im Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte Band 54/2003,
    dort mit allen Quellen- und Literaturhinweisen in Anmerkungen, bestellbar unter www.geschichte-brandenburg.de)
    ———————————————————————————————


    I. Anfänge der frühdeutschen Besiedlung

Bei der endgültigen Eroberung der bis dahin slawisch besetzten Festung Brandenburg 1157 durch Albrecht den Bären stand der Magdeburger Erzbischof Wichmann dem Markgrafen hilfreich zur Seite. In diesem Zusammenhang wurde der Grundstein für die deutsche Herrschaft im Gebiet der Nuthe-Nieplitz gelegt. Die Provinz Jüterbog gelangte in die Verfügungsgewalt des Erzbistums Magdeburg und lag zwischen den Herrschaftsgebieten Mark Brandenburg der Askanier und Lausitz der Wettiner. Nach der Einnahme Jüterbogs begann die Inbesitznahme seines Umlands, ein von Slawen sehr dünn und vor allem in der Nuthe-Niederung besiedeltes Areal.

Nach der Übernahme des Landes Jüterbog betrieb der Magdeburger Erzbischof Wichmann ein rasches Ansiedlungsengagement. Unter Einbindung sogenannter Lokatoren wurden planmäßig Feldmarken angelegt, Dörfer gegründet und Hufenverfassungen festgelegt. Auch die Gründung des Klosters Zinna 1170/71 im nördlichen Umland von Jüterbog sollte dem weiteren Landesausbau dienen. Während die weltliche Herrschaft über das eroberte Land Jüterbog durch das Erzbistum Magdeburg ausgeübt wurde, unterlag es in kirchlicher Hinsicht der Diözese Brandenburg.

Ortgründungsurkunden, wie sie für andere Regionen des Erzbistums vereinzelt bekannt sind, haben sich für das Land Jüterbog nicht erhalten. Daher ist den wenigen und frühen Ersterwähnungen von Dorfstellen und Feldmarken bei einer siedlungskundlichen Analyse eine umso höhere Bedeutung beizumessen. Nach der Ersterwähnung des noch slawischen Ortes Jüterbog 1007/08 setzen die frühen und erhaltenen Nachrichten erst nach der Eroberung des Landes um 1157 ein.

Die wenigen aus dem 12. Jahrhundert überlieferten Orte sind Broitz, Dennewitz, Dieke, Heinrichsdorf, Heinsdorf, Hohengörsdorf, Neuheim, Neuhof, Rothe, Rothwiensdorf, Ruhlsdorf, Ruthenitz und Werder. Erhalten haben sich von diesen Orten bis heute lediglich Dennewitz, Hohengörsdorf, Neuheim, Neuhof und Werder. Die früh erwähnten Ortswüstungen - respektive ihre wüsten Feldmarken - Broitz, Rothwiensdorf und Ruthenitz konnten bereits glaubhaft, wenn auch teilweise ungenau, lokalisiert werden.

Die später entstandene Feldmark Neumarkt bei Jüterbog, vermutlich ein Ergebnis des unetablierten Sekundärmarktplatzes Jüterbogs, setzte sich fast ausschließlich aus den wüsten Feldmarken Börnicke im Südosten sowie Rothwiensdorf und Broitz im Nordosten zusammen. Während die kleine mit slawischem Namen versehene Feldmark Broitz, deren Ortswüstung mit hoher Sicherheit mit dem Flurnamen „Wentorfe“ in Verbindung zu bringen ist, als frühe Wüstung mit seinen „kleinen Hufen“ tradiert zu sein scheint, geriet wohl der Ortsname der benachbarten und größeren deutschnamigen Feldmark Rothwiensdorf in Vergessenheit. Letztere wurde somit wahrscheinlich mit ihren „großen Hufen“ überliefert. Anders lassen sich diese Quantifizierungen kaum erklären, zumal in keinem anderen Fall unterschiedliche Hufenverfassungen innerhalb einer einzelnen Feldmark dieses Untersuchungsgebiets nachgewiesen werden können. Vielmehr tauchen vereinzelt Hinweise auf, die auf eine kleinere, slawische Hufengröße im Vergleich zu der größeren, deutschen Hufengröße schließen lassen.

Auch die wüste Feldmark Ruthenitz konnte bereits lokalisiert werden, sie ging in die Feldmark Rohrbeck bei Jüterbog auf. Die Ortswüstung selbst ist mit hoher Sicherheit in Verbindung mit dem Flurnamen „Wenddörfer (Ruthnis)“ zu bringen.

Wenn auch vergleichsweise gut überliefert und seit langem namentlich gut bekannt, waren die Lagen der früh erwähnten Feldmarken Dieke und Rothe sowie Heinsdorf und Ruhlsdorf seit Jahrhunderten völlig unklar. Immer wieder wurden diese Wüstungen einer Lokalisierungsvermutung zugeführt. Die Hintergründe für die bisher nicht gesicherten Lokalisierungsansätze sind unterschiedlich. Dieke und Rothe fanden im 12. Jahrhundert nicht nur ihre Erst-, sondern auch ihre Letzterwähnung. Daher kann hier von sehr frühen Ortswüstungen ausgegangen werden. Heinsdorf und Ruhlsdorf sind zwar auch nach dem 12. Jahrhundert einige Male erwähnt worden, jedoch ergaben sich bei den Lokalisierungsansätzen Probleme, da diese Ortsnamen im Land Jüterbog beziehungsweise im angrenzenden Land Dahme mehrfach vorhanden waren. Außerdem ergibt sich aus einer Urkunde des 12. Jahrhunderts eine Ortsnamenunsicherheit. Diese Sachverhalte ließen bisher einen glaubhaften Lokalisierungsansatz für alle vier eingegangenen Feldmarken nicht entstehen. Nach einem kurzen Abriß der bisherigen Lokalisierungsbemühungen und deren Bewertung sollen in diesem Beitrag die geographischen Lagen und die Schicksale dieser wüsten Feldmarken einem interdisziplinären Rekonstruktionsversuch unterzogen werden.

II. Überlieferungssituation und bisherige Lokalisierungshypothesen

Nach einer undatierten Urkunde schenkt der Magdeburger Erzbischof Wichmann dem Prämonstratenserkloster Gottesgnaden bei Calbe/Saale die Kirche zu Jüterbog mit einer dazugehörigen sechs Hufen messenden Ackerfläche, zugleich 50 Hufen in den Dörfern Dieke und Rothe mit dem gesamten Zehnt, ferner die zur Kirche in Jüterbog gehörende Kapelle. Zum Pfarrsprengel der Jüterboger Kirche werden neben den Orten Jüterbog, Dieke und Rothe auch die vier umliegenden, also bei Jüterbog liegenden Dörfer Ruthenitz, Rothwiensdorf, Broitz und Hohengörsdorf bestimmt.

Einer weiteren undatierten Urkunde folgend, bestätigt der Brandenburger Bischof Siegfried die vorgenannte Schenkung Wichmanns unter Nennung aller bereits aufgeführten Orte.

Die Datierungsvorschläge für den Schenkungsbrief Wichmanns sind zahlreich. Sie stützen sich überwiegend auf die Wirkungszeiträume der dort aufgeführten Zeugen, nicht jedoch auf den Urkundeninhalt selbst. Zum einen sollte die genannte, also bereits errichtete Kapelle in Jüterbog Erwähnung finden, für welche Wichmann erst 1173 einen Stiftungsbrief ausgestellt haben soll. Zum anderen ist die zweitgenannte Urkunde inhaltlich nur so ausdeutbar, daß der Brandenburger Bischof als Inhaber des Diozösanrechts keinesfalls generell auf seine Zehntrechte im Land Jüterbog verzichtete, sondern bei einer Verfügung über Zehntrechte durch den weltlichen Herrscher aus Magdeburg seine Zustimmung zu erklären hatte. Insofern stand die Schenkung des magdeburgischen Erzbischofs also unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch den brandenburgischen Bischof, die nicht vor Ende 1173 - als Beginn der Amtszeit Siegfrieds - erfolgt sein kann. Ein zeitlich naher Zusammenhang beider Urkunden ist also anzunehmen. Sie gehören mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Zeitraum 1173/74, denn bereits 1174 erfolgt eine erneute Bestätigung der erstgenannten Schenkung und eine Vermehrung derselben.

1174 bestätigt der Brandenburger Bischof Siegfried erneut die vorgenannten Schenkungen an das Kloster Gottesgnaden und vermehrt diese durch Zehntschenkungen und die Zulegung des Archidiakonats über das Land Jüterbog.

Aus den drei bisherigen Urkunden ist hinsichtlich der gesuchten Feldmarken Dieke und Rothe nur die gemeinsame Größe von 50 Hufen zu erfahren, über deren Lage wird nichts bekannt. Über Heinsdorf und Ruhlsdorf wird erst in den nachfolgenden Urkunden berichtet.

1183 bestätigt der Brandenburger Bischof Balderam die vorgenannten Schenkungen an das Kloster Gottesgnaden und vermehrt diese durch die Erhebung einer inzwischen errichteten Kirche in Dieke zur Pfarrkirche unter parochialer Hinzufügung der benachbarten Dörfer Hein(rich)sdorf oder Waltersdorf und Ruhlsdorf.

1183 bestätigt Erzbischof Wichmann die vorgenannte Schenkung Balderams unter Nennung der Pfarrkirche in Dieke sowie der eingepfarrten Dörfer Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf.

Während in den Urkunden von 1183 das Dorf Rothe nicht mehr erwähnt wird und mithin in keinem kirchlichen Verhältnis zu Dieke gestanden haben dürfte, wird hier von dem inzwischen zum Pfarrkirchort erhobenen Dorf Dieke zum letzten Mal berichtet, gleichzeitig von einer benachbarten Lage des Dorfes Dieke zu seinen eingepfarrten Orten. Während nach beiden Urkunden zweifelsfrei ein Dorf Ruhlsdorf hierzu gehört, liegt in der brandenburgisch-bischöflichen Urkunde eine Ortsnamenunsicherheit bei dem zweiten Dorf vor, welche offensichtlich durch den Hinweis auf die benachbarte Lage zu Dieke kompensiert wird. Eine derartige Lagebestimmung schien der bestätigende Erzbischof Wichmann nicht nötig zu haben, als er ohne erkennbare Zweifel die eingepfarrten Orte mit Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf bestätigte. Es fällt nicht schwer zu entscheiden, welchem Beleg hinsichtlich der Ortsnamen eher Glauben geschenkt werden sollte. Die Ortsangaben des nach 1157 die planmäßige Besiedlung vorantreibenden, Lokatoren einsetzenden und auch die Gründungsurkunden ausstellenden Erzbischofs von Magdeburg dürften im Vergleich zu den Angaben des erst 1180 eingesetzten Bischofs von Brandenburg schwerer wiegen. Mithin gab es in der nächsten Nähe von Dieke die Orte Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf - hierauf wird noch näher einzugehen sein.

Bereits um 1540 erfolgt der erste erkennbare Lokalisierungsversuch. Der namentlich nicht sicher zu ermittelnde Verfasser vermutet die Ortslagen von Dieke und Rothe im direkt angrenzenden, südlichen bzw. südwestlichen Jüterboger Umland: Zum einen auf einem „Nonnenacker“ und zum anderen an einem Ort, da „die Nonnen den Acker haben“. Zu den eingepfarrten Orten Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf ist nichts ausgeführt, offensichtlich waren die Überlieferungen aus 1183 unbekannt. Dieser frühe Lokalisierungsansatz könnte zu der Annahme verleiten, daß die ehemaligen Ortslagen von Dieke und Rothe noch Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt waren. Einer einfachen siedlungsgeographischen Überprüfung hält diese frühe Vermutung jedoch nicht Stand, sie ist somit abzulehnen. Sofern es sich bei den benachbarten Orten Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf beispielsweise nur um sehr kleine Feldmarken gehandelt haben sollte, hätten diese eine Mindestgröße von insgesamt etwa 25 Hufen. Hierzu kämen die urkundlich gesicherten 50 Hufen der Orte Dieke und Rothe. Insgesamt müßten demnach rund 75 nicht-slawische Hufen im direkten südlichen oder südwestlichen Jüterboger Umland nachzuweisen sein. Dieser Nachweis kann jedoch nicht erbracht werden, da im direkten südwestlichen Umland bereits 1174 an der „Flämischen Brücke“ bei Ruthenitz Wiesenflächen angewiesen wurden. Unter Einbeziehung der gesicherten Wüstungen Grüntal, Klein-Bochow und Ruthenitz lassen sich zudem rund 75 Hufen hier nicht darstellen, es fehlt an der notwendigen Freifläche (Abb. 1).

Vielmehr werden hier wohl lediglich die gesuchten Orte Dieke und Rothe mit den Zisterziensernonnen Jüterbogs in Verbindung gebracht, welche ursprünglich aus dem Prämonstratenserkloster Gottesgnaden stammten. Kannte man im 16. Jahrhundert noch die Urkunden über die Schenkung von Dieke und Rothe, so kannte man auch das durch diese Schenkung begünstigte Kloster. Diese Informationen wurden lediglich verknüpft, denn weitere Bezüge werden nicht hergestellt.

Abb. 1: Siedlungen im südlichen Umland

Auch neuere Vermutungen hinsichtlich einer nahen Lage von Dieke und Rothe bei Jüterbog können aus den Urkundeninhalten selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Während in fast allen genannten Belegen des 12. Jahrhunderts die Dörfer Broitz, Hohengörsdorf, Rothwiensdorf und Ruthenitz aus Jüterboger Sicht komplett als „umliegend“ bezeichnet werden, ist bei Dieke und Rothe jeweils immer nur von „anderen 50 Hufen“ die Rede. Dieses läßt den Schluß einer entfernteren Lage zur Stadt Jüterbog zu. Welche Entfernungen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts noch als „umliegend“ angesehen wurden, ergibt sich aus der Lage von Jüterbog zu den so bezeichneten Orten (Abb. 2).

Eine weitere Lokalisierungshypothese stellt Johann Carl Brandt um 1830 auf: Er setzt Dieke mit Dalichow und Rothe mit Kaltenborn gleich. Seiner Theorie folgend wären die Lagen von Dieke und Rothe also westlich Jüterbogs anzunehmen. Auch er liefert keine weiteren Belege und Ausführungen für seinen Lokalisierungsansatz. Auffällig ist auch bei ihm der sicherlich nicht zufällig konstruierte Zusammenhang mit den Jüterboger Zisterziensernonnen. Sie besaßen seit 1394 die Feldmark Dalichow und seit 1321/31 die Feldmark Kaltenborn. 1286 werden Dalichow und bereits 1225 Kaltenborn erwähnt. Es gibt keinen landesgeschichtlichen Anhaltspunkt und keine sprachwissenschaftliche Stütze für Änderungen der Ortsnamen von Dieke zu Dalichow und Rothe zu Kaltenborn, welche für diesen Lokalisierungsansatz notwendig wären. Vielmehr belegt auch dieses Ergebnis die unsichere Kenntnis der frühen Kirchengeschichte Jüterbogs. Auch hier wurden die gesuchten 50 Hufen mit den

Abb. 2: Die als „umliegend“ bezeichneten Orte bei Jüterbog

Zisterziensernonnen in Zusammenhang gebracht, welche zwar ihre Wurzeln im Kloster Gottesgnaden hatten, vor 1282 in Jüterbog jedoch nicht nachzuweisen sind. Als 1280 der angeschlossene Frauenkonvent vom Kloster Gottesgnaden zunächst an das Sankt Lorenzkloster in Magdeburg überwiesen wurde, gehörten zu dessen Ausstattung zwar die Hauptkirche Sankt Marien in Jüterbog, jedoch nicht die Dörfer Dieke und Rothe. Dieser Frauenkonvent gelangte dann um 1282 nach Jüterbog. Mangels bestätigender Belege muß demnach jeder Versuch scheitern, Dieke und Rothe in Verbindung mit den dann in Jüterbog ansässigen Zisterziensernonnen zu bringen.

Ein weiterer Lokalisierungsansatz erfolgt 1851 durch Carl Christian Heffter. Ihm muß zunächst positiv angerechnet werden, daß er bei seinen Vermutungen erstmalig auch die Informationen der Urkunden aus 1183 näher einbezog. Ihm war demnach bewußt, daß Dieke in der Nachbarschaft seiner eingepfarrten Dörfer gelegen haben muß. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen folgt er hierbei jedoch nicht den sicheren magdeburgisch-erzbischöflichen Angaben über Hein(rich)sdorf und Ruhlsdorf, sondern den unsicheren brandenburgisch-bischöflichen Angaben über Hein(rich)sdorf oder Waltersdorf und Ruhlsdorf. So bezieht er die Angaben über die nach Dieke eingepfarrten Orte auf die bis heute bei Luckenwalde erhaltenen Orte Woltersdorf und Ruhlsdorf und kommt schließlich zu dem Ergebnis, daß nur die Stadt Luckenwalde aus den Feldmarken Dieke und Rothe entstanden sein kann. Er stützt seine Annahme phantasievoll durch die freie Erfindung eines nirgendwo überlieferten Dorfes „Klein-Dieke“ und versucht, dieses mit dem Flurnamen „Liesterdiekbrücke“, welcher nur als „kleine Teichbrücke“ oder „Brücke am kleinen Teich“ erkannt werden kann und bei Luckenwalde liegt, zu begründen. Bei dem dergestalt konstruierten Dorf „Klein-Dieke“ soll noch das hier gesuchte (Groß-)Dieke gelegen haben, welches sich dann unter Verschmelzung des angeblich beiliegenden Dorfes Rothe zu einer Stadt namens Luckenwalde entwickelt haben soll.

Nach den eher dünnen Lokalisierungsansätzen der vorangegangenen Zeit, welche wahrscheinlich nicht sehr verbreitet waren, wurde diese Konstruktion nicht nur angenommen, sondern fand eine rasche überregionale Verbreitung. Die Liste derjenigen, die sich mehr oder minder von den Annahmen Heffters beeinflussen ließen, ist lang. Zudem wurde seine These in der Folgezeit mit immer neueren Details ausgestattet.

Luckenwalde findet bereits 1216 durch Nennung des Burgwards Erwähnung. Lediglich 33 Jahre würden nach Heffter also zwischen der Letzterwähnung von Dieke als frisch vermehrter Pfarrkirchort und der Ersterwähnung des Burgwards Luckenwalde vergangen sein. Ein Hein(rich)sdorf, welches nach der sicheren Angabe Wichmanns zu suchen ist, läßt sich bei Luckenwalde ebenso wenig nachweisen wie ein „Klein-Dieke“. Vielleicht war er von dem Ehrgeiz angetrieben, auch für Luckenwalde Frühes zu berichten, zumal für Jüterbog bereits aus 1007/08 eine Nachricht vorliegt und ihm die Nennung des Burgwards 1216 offensichtlich nicht, sondern nur die Nächsterwähnung Luckenwaldes 1285 bekannt war. Hierzu kommt, daß ihm die erhaltenen Orte Ruhlsdorf und Woltersdorf bei Luckenwalde eher für die ehemals nach Dieke eingekirchten Orte in Frage kamen als andere in Betracht zu ziehende Ortswüstungen im Land Jüterbog, auf die noch näher einzugehen ist. Sein Lokalisierungsergebnis schließt also mit einer Lage nördlich von Jüterbog.

Eine bislang letzte Lokalisierungsbetrachtung nimmt Peter P. Rohrlach vor: Er verweist auf das östliche bis nordöstliche Jüterboger Umland, womit aus der Sicht des Hauptorts Jüterbog nunmehr alle vier Himmelsrichtungen mit Lokalisierungsansätzen belegt sind. Zunächst macht er glaubhaft, daß die Ortswüstungen Dieke und Rothe mit der Entstehungsgeschichte Luckenwaldes nichts gemein haben. Dieses kann nachvollziehbar unterstrichen werden, da die wenigen Ortsbelege der im Umland Jüterbogs mehrfach vorhandenen Orte mit den Namen Ruhlsdorf beziehungsweise Hein(rich)sdorf landesgeschichtlich geordnet wurden.

Ein Ruhlsdorf ist als erhaltenes Dorf bei Luckenwalde und als wüste Feldmark in der Jänickendorfer Heide zu finden. Eine wüste Feldmark Heinrichsdorf befindet sich westlich von Jüterbog, eine wüste Feldmark Heinsdorf in der Jänickendorfer Heide und ein erhaltenes Dorf Heinsdorf nordwestlich von Dahme, wohl auch ehemalig eher dem Land Dahme als dem Land Jüterbog zugehörig. Rohrlach gelingt schließlich das Ergebnis, daß für die ehemals nach Dieke eingepfarrten Orte nur die Ortswüstungen Heinsdorf und Ruhlsdorf in der Jänickendorfer Heide in Frage kommen können. Bis hierhin ist seiner These zu folgen. Seine abschließende Vermutung, daß sich die wüsten Feldmarken Dieke und Rothe wohl ebenfalls in der ausgedehnten Jänickendorfer Heide befinden könnten, in welcher sich bereits die wüsten Feldmarken Ruhlsdorf, Heinsdorf und auch Hohendorf befinden, ist jedoch anzuzweifeln.

Zwar geben die Belege aus 1183 eine benachbarte Lage bei Dieke und Ruhlsdorf sowie Heinsdorf vor, jedoch werden die nachfolgenden Untersuchungsergebnisse eine gleichzeitige Lage der 50 Hufen von Dieke und Rothe in der Jänickendorfer Heide auszuschließen wissen. Immerhin beugte sich Rohrlach nicht der Autorität Heffters, dessen Konstruktionen sich für rund 140 Jahre zur etablierten Lehrmeinung entwickelten. Es ist seiner bisherigen Bearbeitung zu verdanken, daß er zumindest das Gebiet vorgeben konnte, in welchem geographischen Umfeld die wüsten Feldmarken Dieke und Rothe zu suchen sind. Es gilt nunmehr, zunächst die ausgedehnte Jänickendorfer Heide in ihrer historischen Zusammensetzung zu analysieren und nach genauerer Sicherstellung der Lagen der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf ihre Umgebung lückenlos zu untersuchen.

III. Versuch einer interdisziplinären Lokalisierungsrekonstruktion

1. Die geographischen Lagen der wüsten Feldmarken Heinsdorf, Hohendorf und Ruhlsdorf

Um 1300 übertrug der Magdeburger Erzbischof das offensichtlich bereits wüste Ruhlsdorf an das Kloster Zinna. Es befand sich zuvor im Besitz von Heinrich und Johann von Alsleben. Im Landbuch des Klosters wird 1480 die wüste Feldmark Ruhlsdorf mit stattlichen 40 Hufen unter Jänickendorf erwähnt. Sie wurde von den Jänickendorfer Bauern bearbeitet, ging in der Feldmark Jänickendorfs auf und stellt nunmehr einen Teil der Jänickendorfer Heide dar. Durch die nachfolgenden Zuordnungen der wüsten Feldmarken Heinsdorf im Südwesten und Hohendorf im Südosten kann die große Feldmark Ruhlsdorf nur im nördlichen Teil dieser großen Heide gelegen haben.

Ein Datum für die Übertragung der wüsten Feldmark Heinsdorf an das Kloster Zinna ist nicht überliefert. Ein erster sicherer Hinweis auf diese wüste Feldmark ist erst im Landbuch des Klosters 1480 zu finden: Während Jänickendorfer Kossäten Anteile am Heinsdorfer Acker bearbeiteten, wurden den Bauern in Werder „neulich“ insgesamt sechs Hufen in Heinsdorf zugelegt, weil ihre eigenen Böden durch Sand oder Winde „verderbet und verwustet sein worden“. Demzufolge war wohl die gesamte wüste Feldmark Heinsdorf ursprünglich komplett unter dem Pflug Jänickendorfer Bauern, bis ein Anteil von sechs Hufen an Werder abgegeben wurde. Als das Amt Zinna aufgrund eines im Ergebnis abgelehnten Bebauungsersuchens des Luckenwalder Akziseeinnehmers Sortefleisch in den Jahren 1708/09 seine Unterlagen näher überprüfte, kam es zu dem Ergebnis, daß die wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf zwar in alten Amtsbüchern genannt werden, nunmehr aber Hohendorf heißen würden. Tatsächlich sind sowohl in den neueren Unterlagen als auch in der Kartographie alle drei wüsten Feldmarken überwiegend mit dem Namen Hohendorf tradiert. Dabei handelte es sich um drei separate Feldmarken, deren Namen dem Amt Zinna vermutlich entfielen. Demgegenüber wußte der Jänickendorfer Lehrer Stiebitz im Rahmen einer Flurnamenerhebung für seine Gemarkung in 1936 noch folgendes zu berichten: „Dicht bei Hohendorf lagen noch Hinsdorf, Riesdorf“. Obwohl also nur wenige Hinweise für die wüste Feldmark Heinsdorf vorliegen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß sie sich im Südwesten der Jänickendorfer Heide befindet. Die merkwürdige Exklave Werders, die sich in dieser Heide, östlich an die Gemarkung Markendorfs angrenzend, befindet, dürfte demnach diesen an Werder abgegebenen sechs Hufen entsprechen. Da diese Exklave in ihrem südwestlichsten Bereich auch noch einen zu Sernow gehörenden Kirchacker aufzuweisen hat, bestand offensichtlich ein frühes Parochialverhältnis Heinsdorfs – und nicht Hohendorfs - zum frühen Zinnaer Klosterdorf Sernow. Sernow gehörte anteilig bereits ab 1218 zum Klosterbesitz. Spätestens 1407 – demnach wohl doch bedeutend früher – erwarb das Kloster Zinna das Patronat über Sernow. Da jedoch die wüsten Feldmarken Heinsdorf und Hohendorf insgesamt als Hohendorfer Feldmark tradiert sind, verwundert die Angabe betreffend den Sernower Kirchacker 1562 „auf der Hohendorfer Marke“ nicht. Zudem stellt sich ein frühes kirchliches Verhältnis Hohendorfs zum Klosterdorf Sernow als unwahrscheinlich dar, da das Kloster Zinna vor 1464 bis 1475 nur im Pfandbesitz der wüsten Feldmark Hohendorf war. Im Landbuch des Klosters, als reines Wirtschaftsverzeichnis, befinden sich daher 1480 keine Angaben zu Hohendorf. Ebenso erweist sich die bis heute erhaltene, seit Generationen in Werder überlieferte Geschichte betreffend die ungewöhnliche Exklave Werders östlich der Markendorfer Feldmark als irrige Konstruktion. Demnach soll das Dorf Hohendorf erst im Dreißigjährigen Krieg wüst gefallen sein und sechs Hohendorfer Witwen, die nach Werder auswanderten, sollen ihre Dankbarkeit durch die Vererbung von Hufenbesitz in Hohendorf bewiesen haben. Dieses korrespondiert nicht mit den Tatsachen, denn der Wüstungseintritt Hohendorfs erfolgte spätestens im 14. Jahrhundert, und die angeblichen Landübertragungen stellen sich seltsamerweise als arrondiertes Areal dar. Auch hier manifestierte sich die falsche Annahme der Zugehörigkeit dieser Exklave Werders zu Hohendorf anstatt zu Heinsdorf. Neben den erwähnten sechs Witwen sollen nach dieser Theorie weitere sechs Hohendorfer Witwen nach Jänickendorf gelangt sein und ebenso dort ihren Landbesitz vererbt haben. Sofern diese Annahme zumindest im Hinblick auf die Feldmarkgröße einen realen Bezug haben sollte, könnte man allenfalls eine Gesamthufengröße von 12 Hufen für die wüste Feldmark Heinsdorf annehmen. Nur der nach Werder gegebene Teil von sechs Hufen ist bekannt, jedoch nicht die Gesamtgröße der wüsten Feldmark Heinsdorf.

Durch Flurnamen gesichert und mithin im südöstlichen Bereich der Jänickendorfer Heide befindet sich die wüste Feldmark Hohendorf, welche in 1708 mit einer Größe von 15 Hufen überliefert ist.

Somit rundet sich das Bild hinsichtlich der Zusammensetzung der ausgedehnten Jänickendorfer Heide ab. Von Schmettau hat in seinem Kartenwerk aus dem 18. Jahrhundert dieses Heidegebiet als „Iaenikendorffsche und Werdersche Wüste Feldmarck“ bezeichnet. In ihr sind demnach insgesamt drei Ortswüstungen aufzuspüren (Abb. 3), was einer näheren archäologischen Untersuchung vorbehalten bleiben muß. Allenfalls in der wüsten Feldmark Ruhlsdorf könnten die Flurnamen „Die Schülischen“ und „Schülische Berge“ einen Hinweis auf die Ortswüstung darstellen.

Die Größe dieser eingegangenen Feldmarken müßte sich auf insgesamt rund 67 Hufen belaufen haben, wobei Ruhlsdorf mit 40, Hohendorf mit 15 und Hohendorf mit sechs zuzüglich eventueller weiterer sechs Hufen angesetzt sind. Da die jeweils zugrundeliegenden Hufenverfassungen dieser Feldmarken nicht bekannt sind, kann eine mathematische Erschließung der in Anspruch genommenen Gesamtfläche nicht dargestellt werden. Man geht sicherlich dennoch nicht fehl in der Annahme, daß diese rund 67 Hufen die Jänickendorfer Heide vollständig beanspruchten. Die stattlichen 50 Hufen der wüsten Feldmarken Dieke und

Abb. 3: Feldmark Jänickendorf um 1900

Rothe sind mithin in der Jänickendorfer Heide selbst nicht nachweisbar. Es erscheint nun notwendig, die gesamte Umgebung der bisher herausgearbeiteten wüsten Feldmarken Ruhlsdorf und Heinsdorf zu untersuchen, da in ihrer Nachbarschaft der ehemalige Pfarrkirchort Dieke nebst seiner eingegangenen Feldmark zu suchen ist.

2. Die Umgebung der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf

Östlich der wüsten Feldmark Heinsdorf und südlich der wüsten Feldmark Ruhlsdorf befindet sich die wüste Feldmark Hohendorf. Östlich der wüsten Feldmarken Ruhlsdorf und Hohendorf kann die wüste Feldmark von Schmielickendorf nachgewiesen werden, welche in ihrem Südteil die spätmittelalterliche Ortswüstung und in ihrem Nordteil den neuzeitlichen, im 20. Jahrhundert verlassenen Wohnplatz Schmielickendorf beinhaltet. Inwieweit sich hier noch weiter östlich der ungesicherte Gebietsumfang der wüsten Feldmark Mehlis anschließt, kann bei dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben, da hier eine benachbarte Lage zu Heinsdorf respektive Ruhlsdorf nicht mehr vorliegt.

Im Nordosten erstreckt sich der westlichste Bereich der weiten Golmwaldungen. Er wird bereits um 1610 als Wald, welcher bis an die „Zinna-Jänigkendorff’schen“ Grenze reicht, beschrieben, gehörte zur kleinen Territorialherrschaft Stülpe und ist archäologisch ohne frühdeutsche Befunde.

Nördlich der Jänickendorfer Heide befindet sich die Ursprungsfeldmark Jänickendorf, die im Landbuch mit 30 Hufen angegeben ist. Das direkte Umland des Dorfes Jänickendorf war ursprünglich fast ausschließlich ein sumpfiges Niederungsgebiet, welches erst durch Anlegung von Abzugsgräben entwässert und einer Agrarnutzung zugeführt werden konnte. Mithin dürften die frühesten Ackerhufen Jänickendorfs im südlichen Bereich dieser Gemarkung gelegen haben.

Nordwestlich der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf befinden sich die Kolzenburger und die Neuhofer Heide, ansich Verdachtsflächen für wüste Feldmarken, jedoch archäologisch befundleere Gebiete. Angaben im Zinnaer Landbuch machen sehr wahrscheinlich, daß es sich bei der Kolzenburger und Neuhofer Heide sowie anteilig bei der Werder-Heide (nordöstlich Werders) und eventuell anteilig bei der Markendorfer Heide (nördlich Markendorfs) um eine nie gerodete Waldstrecke handelte, aus der nachmalig im Rahmen der Gemarkungsbildungen diese Heideflächen entstanden sind. Das erscheint umso glaubhafter, als Kolzenburg im Landbuch nur mit 14 Hufen überliefert und auch Neuhof ursprünglich nur als östliche Grangie des Klosters Zinna um 1170 und 1225 angegeben wird, welche an einem Sumpfgebiet angelegt wurde. Schließlich paßt zu dieser Vermutung die ungewöhnlich lange Landwehr gut, die sich südwestlich von Kolzenburg bis östlich von Neuhof erstreckt und die Flächen der vorgenannten Orte von dieser Waldstrecke schützend abgegrenzt haben dürfte. Ein Name für diese imposante Landwehr konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Diese Sachverhalte machen wahrscheinlich, daß diese geschlossene Waldstrecke weder mit Neuhof, welches mit Sicherheit zur Erstausstattung des Kloster Zinnas gehörte noch mit der ehemals kleinen Gemarkung Kolzenburg, welches als Bestandteil des Burgbezirk Luckenwaldes erst 1285 an das Kloster Zinna gelangte, noch mit Werder, welches um 1200 an das Kloster Zinna gelangte, identisch ist, sondern separat an das Kloster Zinna übertragen wurde. Hinsichtlich der sonstigen landesgeschichtlichen Überlieferung böte sich für diese Waldstrecke die mehrfach genannte, 50 Hufen aufweisende und nie lokalisierte Waldfläche namens Streckow an, die bei Jüterbog gelegen haben soll. Die Waldfläche Streckow wurde unter dem Erzbischof Ludolf von Magdeburg (1192-1205) dem Kloster Nienburg übertragen, ihm jedoch durch dessen Nachfolger Albrecht (1205-1232) wieder entzogen. Ein Übergang dieser Waldstrecke nach 1205 an das Kloster Zinna als sinnvolle Ergänzung der Grangie Neuhof und des um 1200 erhaltenen Dorfs Werder würde sich landesgeschichtlich gut einfügen, erklärte die merkwürdige Ausbuchtung der Kolzenburger Heide, gäbe der bemerkenswerten Landwehr einen Namen und stünde auch nicht im Widerspruch zu den Kurzregesten des Klosters Zinna, käme dem slawischen Mischnamen Kolzenburg - vielleicht als Burg an einem Holz - sehr entgegen, ließe sich aber durch keinen Beleg direkt nachweisen. Nach der Karte von Schmettau befand sich die „Neuhoffsche Heyde“ im übrigen ursprünglich nördlich und nicht östlich von Neuhof. Alle aufgeführten Indizien für diese geschlossene Waldstrecke schließen jedoch eine Annahme hinsichtlich der gesuchten 50 Hufen von Dieke und Rothe aus.

Westlich der wüsten Feldmark Heinsdorf befindet sich die Feldmark Markendorf, welche später eventuell einen Teil der zinnaischen Waldstrecke zugesprochen bekam. Das könnte den merkwürdigen Umstand erklären, daß es in Markendorf zwei Heideflächen gab. Im Landbuch des Klosters Zinna ist unter Markendorf, das selbst kein Klosterdorf war, vermerkt, daß es – nebst Fröhden - gegenüber dem Kloster Zinna Holzpacht zu tragen hat. Hieraus kann die Vermutung abgeleitet werden, daß Markendorf ursprünglich über keine oder eine zu geringe eigene Waldfläche verfügte. Diese Vermutung ist noch nachvollziehbarer bei Fröhden, das ebenfalls nicht zum Kloster gehörte und ursprünglich keine eigene Waldfläche besaß. Der kleinen Ursprungsfeldmark Fröhden, mit seinem Kirchacker in seiner westlichsten Spitze, wurde im Süden noch ein Anteil der wüsten Feldmark Zippelsdorf und im Osten ein Anteil der wüsten Feldmark Dalem zugeschlagen, eine Waldfläche ist hier in früher Zeit nicht zu ermitteln. Dennoch hatten Fröhden und Markendorf Holzbedarf, den sie in den Holzungen des Klosters Zinna, vermutlich in der vorbeschriebenen Waldstrecke, decken konnten,.

Südlich beziehungsweise südöstlich der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Hohendorf befinden sich die Feldmarken der erhaltenen Dörfer Riesdorf und Schlenzer. Während die kleine Ursprungsfeldmark Riesdorf nördlich angrenzend den Rest der wüsten Feldmark Dalem nebst ihrer Dorfstelle hinzugewann, ist Schlenzer bereits 1221 mit stattlichen 72 Hufen überliefert und demnach höchstwahrscheinlich ohne Wüstungsanteile.

3. Die geographischen Lagen der wüsten Feldmarken Dieke und Rothe

Quasi einem Ausschlußprinzip folgend, ist nunmehr fast die gesamte Umgebung der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf beschrieben und für die wüsten Feldmarken Dieke und Rothe nicht zu beanspruchen. Übrig bleiben nur die ungewöhnlichen südwestlichen und südöstlichen Ausbuchtungen des Forsts Woltersdorf. Nach der kartographischen Darstellung in der Monographie von Willy Hoppe sollen jedoch diese merkwürdigen Ausbuchtungen im Südteil dieses Forsts zum Burgbezirk Luckenwalde gehört haben und 1285 - mit Übertragung des Luckenwalder Burgbezirks - an das Kloster Zinna gelangt sein. Diese Vermutung wurde im Rahmen der neueren Jubiläumsveröffentlichungen zur Zisterzienserforschung nicht in Frage gestellt. Dieser Zuordnung liegt eine Fehlinterpretation zugrunde. Der Widerspruch ergibt sich zum einen aus der landesgeschichtlichen Überlieferungslage und zum anderen aus eindeutigen archäologischen Befunden. Da die Region zwischen den Feldmarken Kolzenburg und Jänickendorf, also die südwestliche Ausbuchtung des Forsts Woltersdorf, erst in 1419 an das Kloster Zinna übertragen wurde, kann diese nicht zum Burgbezirk Luckenwalde gehört haben. Irgendwelche Annahmen, daß diese Region anfangs mit dem Burgbezirk Luckenwalde in 1285 an das Kloster Zinna übertragen wurde, dann aus dem Zinnaischen Besitz gelangte, um dann wieder 1419 in seinen Besitz zu kommen, würden ins Leere gehen, konnte doch in mehreren Fällen nachgewiesen werden, daß das Kloster allenfalls entfernte Besitzungen abzustoßen wußte, keinesfalls jedoch so nahe und sich gut an den sonstigen Besitzkomplex anschließende Regionen. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man durch nähere Untersuchung der Region zwischen Jänickendorf und Holbeck, also der südöstlichen Ausbuchtung des Forsts Woltersdorf. Für diese Region fehlen zwar Übertragungsbelege zugunsten des Klosters, jedoch weisen in ihr eindeutige archäologische Befunde auf die Nichtzugehörigkeit zum Burgbezirk Luckenwalde und das Vorliegen einer frühdeutschen Ortswüstung hin. Selbst bei einem sehr frühen Wüstungseintritt dieser bisher unbekannten Ortswüstung hätten zwischen dem unbekannten Zeitpunkt und der Übertragung des Burgbezirks Luckenwalde in 1285 nur wenige Jahrzehnte gelegen. Sie wäre demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in 1285 bekannt gewesen und im Rahmen der Übertragungsurkunde zumindest als „villa deserta“ bezeichnet worden. Unterstützt wird diese Vermutung dadurch, daß bereits 1216 von dem Burgwardium Luckenwalde berichtet wird, der Burgbezirk also offensichtlich bereits gebildet war.

Nach der Feststellung, daß die südlichen Ausbuchtungen des Forsts Woltersdorf nicht zum Burgbezirk Luckenwalde gehört haben können, erscheint zunächst zur weiteren Abgrenzung eine Rekonstruktion der tatsächlichen südöstlichen Ausdehnung des Burgbezirks notwendig. Hierbei muß auch die ursprüngliche Westgrenze der Feldmark Dümde Berücksichtigung finden, die sich bis zum Gottower Hammerweg erstreckte. Das ergibt sich eindeutig aus einer Grenzbestimmung aus 1407 und verdeutlicht, daß auch hier zumindest ein Teil einer Feldmark später dem ehemaligen Kernforstgebiet zugeschlagen wurde. Der Umfang des ehemaligen Kernforstgebiets selbst, welches als Waldgebiet des Luckenwalder Burgbezirks anzusehen ist und sich archäologisch auch passend als befundleer darstellt, wird in einer erzbischöflichen Urkunde 1421 genauer beschrieben. Nach diesen Angaben läßt sich nunmehr in einer Gegenüberstellung verdeutlichen, wie Hoppe einst die Ausdehnung des Burgbezirks Luckenwalde annahm und wie sie unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse anzusehen ist (Abb. 4 u. 4a).

Abb. 4: Die südöstliche Ausdehnung des Burgbezirks Luckenwalde (nach Hoppe)

Abb. 4a: Versuch einer Rekonstruktion der Ausdehnung des Burgbezirks

Nach korrigierender Darstellung des südöstlichen Verlaufs der Burgbezirksgrenze sind die übrig bleibenden Flächeninseln im südlichen Bereich des Forsts Woltersdorf gut erkennbar. Diese stellen mit hoher Wahrscheinlichkeit die wüsten Feldmarken Dieke und Rothe dar, denn zumindest Dieke muß ja dicht bei Ruhlsdorf und Heinsdorf liegen. Diese Annahme soll durch nähere Untersuchungen unterstrichen werden.

Zunächst zur entfernteren Region, der südwestlichen Ausbuchtung: Die Beschreibung dieser 1419 an das Kloster übertragenen Fläche erfolgte als „merica deserta“. Als Synonym für eine mit „villa deserta“ beschriebenen Ortswüstung dürfte der Begriff „merica deserta“ durchaus für eine wüste Feldmark, deren Namen jedoch in Vergessenheit geriet, stehen. Ein Parallelbeispiel für eine „wüste Heide“ aus direkter Übersetzung ist andernorts nichts auszumachen, es handelt sich also um eine äußerst selten benutzte Beschreibung. Eine „merica deserta“ wird jedenfalls keine kompakte Waldfläche beschrieben haben. Demnach könnte es sich bei dieser Fläche durchaus um eine anfangs gerodete, dann kultivierte, dann wüst gefallene und schließlich im Laufe von rund 150 bis 200 Jahren völlig verbuschte ehemalige Feldmark handeln, die sich so unbewirtschaftet zur Heidefläche entwickelte und eine abschließende Erwähnung als „wüste Heide“ fand. Tatsächlich taucht für diese Region auch nach der Übertragung von 1419 kein althergebrachter Name auf. Sie wurde im Landbuch des Klosters Zinna lediglich als „Calows Acker“ bezeichnet, da der Presbyter Johannes Kalow ausweislich der Übertragungsurkunde von 1419 für die – vielleicht erneute - Urbarmachung dieser Region Sorge trug. Erst danach dürften die für diese Region überlieferten Flurnamen „Röthe Berg“, „Röthe Lache“ und „Kuhlsröten“ entstanden sein und auf den offensichtlich nunmehr erfolgten Flachsanbau hinweisen. In einer späteren Periode wurde diese Region aufgeforstet und dem Forst Woltersdorf zugeschlagen. Nicht aufgrund der ähnlich klingenden Flurnamen, sondern im Hinblick auf die Lage nebst einem kleinen Waldgebiet mit den wohl neuzeitlichen Flurnamen „Schlag Heide“ und „Haugrund“, dürfte hier die wüste Feldmark Rothe anzunehmen sein. Der sprachwissenschaftliche Hintergrund für den Ortsnamen Rothe ist eine Ansiedlung in einer Ausrodung, sie paßt vortrefflich für diese als „merica deserta“ beschriebene Region. Die archäologische Befundlage ist hier eher dürftig. Jedoch wird es kein Zufall sein, daß sich Oberflächenfunde aus frühdeutscher Zeit an einer Stelle ergaben, die als siedlungsgünstig angesehen werden kann. Diese befindet sich nördlich der Hauptstraße zwischen Luckenwalde und Jänickendorf im südlichen Bereich eines Baumschulgeländes. Hier befindet sich eine günstige Ansiedlungsstelle in der ansonsten in weiten Teilen auch sumpfigen Region, und zwar an einem Weg, der südwestlich von Jänickendorf zu den Renne Bergen führt, der die nördliche Begrenzung dieser Region als eine Art Naturgrenze darstellt. Eine nähere archäologische Untersuchung in Anknüpfung an die bisherigen Oberflächenfunde könnte hier nähere Erkenntnisse erbringen.

Wenn auch jegliche Übertragungsnachrichten fehlen, stellen sich die archäologischen Befunde für die Region zwischen Jänickendorf und Holbeck doch wesentlich deutlicher und aussagekräftiger dar. Hier besteht kein Zweifel an der Existenz einer bisher noch nicht aufgespürten und bisher offensichtlich auch nicht in Erwägung gezogenen frühdeutschen Ortswüstung. Ein gesicherter Turmhügel aus frühdeutscher Entstehungszeit, eine aus einer Bergkuppe herausgearbeitete Höhenburg mit dem Flurnamen „Schloßberg“, weist hier den Weg. Nahe im Südosten des Turmhügels befindet sich ein Gewässer, welches den Flurnamen „Schloßteich“ trägt und mithin in einem Bedeutungszusammenhang zu sehen ist. Direkt nördlich an diesen „Schloßteich“ schließt sich ein Wall-Graben-System an, welches in Ausführungsart und Umfang durchaus als eine ehemalige Ortsumwehrung angesprochen werden kann. Die westliche Flanke dieser Wallanlage stellt der Turmhügel dar, seine östliche Flanke ein sumpfiges Gebiet. Während sich der „Schloßberg“ noch im Forst Woltersdorf befindet, befinden sich das direkt angrenzende Wall-Graben-System sowie der „Schloßteich“ nunmehr in der Gemarkung Holbeck. Aus diesem archäologischen Befundzusammenhang erschließt sich, daß die ehemalige Feldmark ursprünglich breiter war als die nunmehr schmale Ausbuchtung des Forsts Woltersdorf. Mithin ging diese ehemalige Feldmark in den nachmaligen Gemarkungen Woltersdorf und Holbeck auf. Hierbei kann nicht entschieden werden, ob diese Aufteilung rasch nach dem Wüstungseintritt erfolgt ist oder das Ergebnis der insbesondere für das 18. Jahrhundert überlieferten Grenzirritationen und –regulierungen zwischen dem Amt Zinna und der Territorialherrschaft Stülpe darstellt. Hier trafen die Besitzungen beziehungsweise die Besitzinteressen des Amts Zinna, der Herrschaft Baruth und der Herrschaft Stülpe zusammen, was in der Neuzeit zu diversen Streitigkeiten führte. Einer Veröffentlichung des Schloßherrn von Rochow zu Stülpe sind folgende, sich auf das Jahr 1705 beziehende Zeilen zu entnehmen: „Die Herrschaft zu Baruth hatte ihr Eigenthumsrecht bis auf das sogenannte Stärtchen bei Holbeck ausdehnen wollen. Dieses gab sie auf und Adam Ernst [II. von Rochow, Anm. d. Verf.] stand sich daher bei seiner Geburt [31.10.1705, Anm. d. Verf.] in dem unbestrittenen Besitz dieses etwa 400 Morgen großen, mit Eichen, anderem Laubholz und Kiefern bestandenen Grundstücks, in welchem sich die Ueberreste alter Befestigungen erhalten haben. Sie bestehen aus einem Wall mit doppeltem Graben, der sich auf einer Horst hinzieht. Auf der einen Seite lehnt er sich an den sogenannten Schloßberg, auf der anderen endet er an einer sumpfigen Stelle, die seine Flanke deckt. Es ist zu vermuthen, daß diese Verschanzung welche bestimmt gewesen sein wird, um einen hier befindlichen Paß zu vertheidigen, aus den Kriegen zwischen denen von der Elbe herandringenden Deutschen und den nach und nach gegen die Havel und Spree zurückweichenden Wenden herrühre. In alten Schriften führt sie den Namen Landwehr“.

Die bisherigen Indizien sind bereits ausreichend, um an diesem Ort das Vorhandensein einer frühdeutschen Ortswüstung als gesichert anzusehen. Für diese Annahme finden sich noch weitere Hinweise. Zunächst fügen sich diverse Oberflächenfunde mit frühdeutschen Kugeltopfkeramikscherben auf dem Turmhügel und in seiner Umgebung gut in das Gesamtbild ein. Ferner befinden sind auf dem Gebiet dieses Gesamtensembles kleinere behauene Granitsteinabschläge sowie große Granitfindlinge, die geologisch an diesem Platz überhaupt nicht vorkommen, sondern – mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der südlich angrenzenden Fläminghochfläche – hierher transportiert wurden und sehr wahrscheinlich für eine weitere Bearbeitung vorgesehen waren. Sofern diese nicht in einem Zusammenhang mit der Errichtung beziehungsweise Erneuerung einer niederadligen Burg (Wohnturm) auf dem Turmhügel stehen, kann ihre Existenz nur so erklärt werden, daß hier entweder eine Kirche neu errichtet oder diese als hölzerner Vorgängerbau bestehend nunmehr massiv ausgeführt werden sollte. Sofern diese Granitsteine für einen Sakralbau vorgesehen waren, der offensichtlich nicht mehr zur Ausführung kam, dürfte - aufgrund der Datierungen der frühen Feldsteinbauten im Land Jüterbog sowie der neueren Erkenntnisse über hölzerne Vorgängerbauten im Lausitzer Gebiet - die Heranschaffung der großen Granitsteine wohl in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen. In diesem Zeitraum müßte dann auch der Wüstungseintritt der dortigen Siedlung liegen.

Zur grundsätzlichen Frage der Nähe einer Dorfstelle zu ihrem frühdeutschen Turmhügel soll an dieser Stelle ein Exkurs dienen. Joachim Herrmann nimmt an, daß sich die Lage der Dorfstelle zu ihrem Turmhügel durchaus unabhängig darstellen könnte. Er führt in diesem Zusammenhang exemplarisch den Turmhügel von Scharfenbrück und eben diesen Turmhügel mit dem Flurnamen „Schloßberg“ auf. Während die Dorfstelle zum Turmhügel „Schloßberg“ ja noch gar nicht aufgespürt ist, zeichnet sich bei Scharfenbrück ab, daß sich die spätmittelalterliche, wüst gefallene Dorfstelle in der Nähe ihres Turmhügels befand und als neuzeitlicher Wohnplatz an anderer Stelle neu entstand. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich im Land Jüterbog insgesamt nicht eher so darstellt, daß die Dorfstellen immer in der unmittelbaren Nähe zu ihren jeweiligen Turmhügeln lagen. Neben dem Turmhügel „Schloßberg“ sind sechs weitere Turmhügel im ehemaligen Land Jüterbog nachgeweisen. Die nachfolgende Übersicht soll die Angaben Herrmanns mit den landesgeschichtlichen respektive siedlungskundlichen Erkenntnissen vergleichen.

Lage in Feldmark

Flurname

Entfernung zum Ort

Siedlungskundliche Lage

   

nach Herrmann

 

1. Liepe

Schwedenschanze

am Ortsrand

nahe Liepe

2. Scharfenbrück

Burgwall

750 m nördl.

nahe Ortswüstung Scharfenbrück

3. Borgisdorf

Burgwall

im Ort

in Borgisdorf

4. Fröhden

Burgwall

1,5 km ssö.

nahe Ortswüstung Zippelsdorf

5. Jüterbog

Tanzberg

im Ort Neumarkt

in Neumarkt

6. Niedergörsdorf

Burgwall

1,5 km nw.

nahe Ortswüstung Heinrichsdorf

7. Woltersdorf

Schloßberg

2 km nw. v. Holbeck

nahe Dieke?

Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß sich alle anderen sechs Turmhügel im Land Jüterbog in oder in unmittelbarer Nähe einer Dorfstelle befanden. Mithin ist dieses Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf die Gegebenheiten des Turmhügels „Schloßberg“ anwendbar. Die dazugehörige eingegangene Dorfstelle wird sich demnach ebenfalls in seiner unmittelbaren Umgebung befinden. Ein Zusammenhang mit der weit entfernten und ursprünglich nur 16 Hufen messenden Feldmark Woltersdorf läßt sich ebensowenig herstellen wie eine Zugehörigkeit zu den entfernten Orten Jänickendorf oder Holbeck, da zwischen ihnen und dem Turmhügel jeweils Sumpfgebiete lagen, die dem Zweck einer Turmhügelburg in dieser Lage widersprechen würden.

Alle Indizien für die Region am „Schloßberg“ passen ohne Abstriche auf die bisher nicht lokalisierte Ortswüstung Dieke. Die nicht bearbeiteten Granitsteine machen eine frühe Ortswüstung des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich und mögen zudem Zeugnis ablegen über die in 1183 erwähnte Pfarrkirche zu Dieke, die mit hoher Sicherheit im 12. Jahrhundert zunächst nur aus einem Holzbau bestanden haben dürfte. Auch der inzwischen fast verlandete „Schloßteich“ in der Nähe des Turmhügels, dessen Tiefe kürzlich zum Zwecke einer noch vorzunehmenden Pollenanalyse mit rund fünf Metern festgestellt werden konnte, gelangt zu einer dementsprechenden Bedeutung, stellt man ihm die onomastische Deutung von Dieke als „Ansiedlung bei einem Teich“ zur Seite. Hierzu erlangt auch das sich anschließende Wall-Graben-System als mögliche Dorfumwehrung größeres Gewicht, in dessen Grenzen das untergegangene Dorf angenommen werden kann. Hierzu paßt auch der frühdeutsche Turmhügel, knüpft er doch an den Mottentyp des nordwestlichen Raumes an und läßt sich mit dem sehr wahrscheinlich von niederländischen Siedlern gegebenen Ortsnamen Dieke gut in Einklang bringen. Dieke ist weder ein slawischer noch ein slawisch-deutscher Mischname, slawische Spuren ließen sich hier archäologisch auch nicht nachweisen. Dieses frühdeutsche Dorf dürfte mithin aus wilder Wurzel entstanden sein.

Abgesehen von den vorab ausgearbeitenen Ausschlußflächen in der Umgebung der wüsten Feldmarken Heinsdorf und Ruhlsdorf trägt keine andere Stelle in dieser Umgebung der „Ansiedlung bei einem Teich“ ausreichend Rechnung, glücklicherweise liegt bei Dieke ein Ortsname mit appellativischem Bestimmungswort vor. Ähnlich der Annahmen zur wüsten Feldmark Rothe, deren Name in Vergessenheit geriet und für die sich neuere Flurnamen bildeten, vollzog sich das auch im Südteil der angenommenen wüsten Feldmark Dieke. Dieser befand sich auf der Fläminghochfläche und weist nach den Kartenwerken des 18. Jahrhunderts den Flurnamen „Der Quarck Sack“ auf. Daß dieser Südzipfel tatsächlich die Form eines Quarksacks vorweist, dürfte sich erst in der Neuzeit, und zwar mit dem Aufkommen einer genaueren Kartographie, ergeben haben, so daß dieser Flurname nicht in das späte Mittelalter zu setzen ist. Schließlich ergibt sich für das Gebiet dieser wüsten Feldmark aus der Flurnamensammlung der Flurname „Doyken“, der zwar nicht akkurat lokalisiert werden kann, da er als nur im Volksmund gebräuchlich überliefert ist, sich aber ohne Zweifel auf diese wüste Feldmark bezieht. Eine Namensentwicklung von Dieke zu Doyken erscheint zwar sprachwissenschaftlich problematisch, jedoch dürften gerade Flurnamen einer starken Veränderung unterliegen, wenn sie nur mündlich weitergegeben und nicht schriftlich fixiert wurden.

Während sich die Indizienkette für die angenommene wüste Feldmark Rothe eher als schwach darstellt, ist die lange und eindeutige Indizienkette für die angenommene wüste Feldmark Dieke recht deutlich. Es ist einer genaueren Untersuchung durch die Archäologie vorbehalten, in dem interessanten Umfeld des Turmhügels „Schloßberg“ weitere Erkenntnisse zu gewinnen.

4. Landesgeschichtlicher Rekonstruktionsversuch

Nach der Formulierung der siedlungsgeographischen Ergebnise für die wüsten Feldmarken Dieke und Rothe erscheint es abschließend angebracht, den landesgeschichtlichen Werdegang dieser frühen Ortswüstungen einem Rekonstruktionsversuch zuzuführen. Die Lokalisierungsergebnisse dürfen nicht im Widerspruch zu den landesgeschichtlichen Überlieferungen stehen. Hierbei soll der Aspekt der Erstübertragung an das Prämonstratenserkloster Gottesgnaden sowie die angenommene spätere Erlangung dieser Besitzungen durch das Kloster Zinna ebenso beleuchtet werden wie die Frage, warum das Kloster Zinna in seinen umfangreichen Landbuchaufzeichnungen die Ortsnamen Dieke und Rothe nicht mehr mitzuteilen wußte. Auch in allen anderen einschlägigen Veröffentlichungen wurde das Kloster Zinna nie mit den Wüstungen Dieke und Rothe in einen Zusammenhang gebracht.

Wie den eingangs zusammengefaßten Belegen zu entnehmen war, gelangten die Feldmarken Dieke und Rothe mit einer Gesamtgröße von 50 Hufen wohl um 1173/74 an das Prämonstratenserkloster Gottesgnaden bei Calbe/Saale. 1183 wird eine Pfarrkirche in Dieke erwähnt, zu welcher die benachbarten Orte Ruhlsdorf und Heinsdorf, nicht jedoch Rothe eingepfarrt waren. In den Überlieferungrn 1183 wird zwar die vorangegangene Schenkung wiederholt, es ergeben sich jedoch keine Anhaltspunkte, daß der Ort Rothe bereits 1183 eine Ortswüstung dargestellt haben könnte. Der Sachverhalt, daß Rothe 1183 offensichtlich nicht in einem Parochialverhältnis zu Dieke stand, ist daher kein Beweis für einen sehr frühen Wüstungseintritt noch im 12. Jahrhundert, sondern darf vielmehr als Umstand gewertet werden, daß Rothe anfangs in kirchlicher Hinsicht anderweitig eine Zuordnung fand, worüber jedoch jegliche Nachricht fehlt. Den Lokalisierungsansätzen dieses Beitrags folgend, erscheint es auch nicht abwegig, daß Rothe – obwohl vielleicht noch existent – aufgrund seiner ungünstigen Lage zu Dieke nicht der 1183 erwähnten Pfarrkirche zugeordnet wurde. Auch stellten die urkundlichen Nennungen von insgesamt 50 Hufen bei Dieke und Rothe nie einen Beweis für eine benachbarten Lage von Dieke und Rothe dar, obwohl dieses fast suggeriert wird und wohl auch bei allen bisherigen Lokalisierungsansätzen so aufgefaßt wurde. Durch eine nicht benachbarte Lage der wüsten Feldmarken Dieke und Rothe wird eher unterstrichen, warum hier eine parochiale Zuweisung nicht erfolgt sein könnte.

Zurück zum Kloster Gottesgnaden: Mehrfach wurde behauptet, daß der weitere Verbleib der im 12. Jahrhundert übertragenen 50 Hufen von Dieke und Rothe ungewiß ist. In der Tat fehlen hierüber genaue Hinweise, dennoch läßt sich eingrenzen, in welchem Zeitraum die Abgabe dieses Besitzes erfolgt sein muß. Hinsichtlich der Abgabegründe können nur Vermutungen angestellt werden, die mit der Überlieferungslage im Einklang stehen müssen.

Die Chronik des Klosters Gottesgnaden, welche um 1195 entstanden und von dessen Probst Günther verfasst sein soll, geht auch auf die Besitzungen im Land Jüterbog ein. Sofern Dieke und Rothe noch zu dieser Zeit im Klosterbesitz waren, zeichnet sich bereits im Text dieser frühen Chronik ab, daß dieser entfernte, aber beachtliche Hufenbesitz wenig Beachtung fand. Das muß in der Folgezeit umso mehr gegolten haben, sofern man davon ausgeht, daß die Wüstungen Dieke und Rothe bereits im 13. Jahrhundert entstanden sind. Diese Sachverhalte könnten für den frühen Untergang der Ortsnamen ursächlich sein.

Im Rahmen der bereits erwähnten Ortsnamenunsicherheit, bei der man sich nicht auf den Ortsnamen Hein(rike)sdorf oder Waltersdorf festzulegen vermochte, könnte die folgende Nachricht einen Hinweis auf die ehemals nach Dieke eingepfarrten Orte darstellen: Der Jüterboger Bürgermeister und Chronist Carl Gottlieb Ettmüller vermerkt in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen, daß der Magdeburger Erzbischof Rudolf von Dingelstedt (1253 – 1260) im Rahmen einer Ablaßerklärung den Nonnen zu Jüterbog gestattet habe, die Einkünfte aus Waltersdorf und Ruhlsdorf an Zinna zu verkaufen. Die dieser Nachricht zugrundeliegenden Quelle ist heute nicht mehr nachweisbar. Abgesehen von der bereits anderweitig festgestellten Unsicherheit betreffend die frühe Jüterboger Kirchengeschichte scheint diese Nachricht aber auch nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein, obwohl die Annalen Ettmüllers teilweise ungenau oder falsch sind. Gerade die 50er Jahre des 13. Jahrhunderts können als Dekade der bemerkenswert häufigen Vergabe von Ablaßbriefen angesehen werden. Fraglich bleibt zunächst, ob sich diese Nachricht auf die Orte Ruhlsdorf und Woltersdorf in dem bereits gebildeten Burgbezirk Luckenwalde oder auf die ehemals nach Dieke eingepfarrten Orte Ruhlsdorf und Heinsdorf - oder Waltersdorf nach dem Brandenburger Bischof Balderam - beziehen soll. Es ist kaum anzunehmen, daß hier Verfügungen über einen Burgbezirkanteil vorgenommen wurden. Hinsichtlich der genannten Einkünfte wird hier sicherlich von kirchlichen Einkünften, also Zehnteinkünften, die Rede gewesen sein. Als Hintergrund für diese Nachricht kann vermutet werden, daß der Erzbischof Rudolf den kirchlichen Geschäftsbesorgern der Jüterboger Hauptkirche, die bekanntlich in die Hände des Klosters Gottesgnaden gegeben wurde, gestattet, die kirchlichen Einkünfte aus den vormals eingepfarrten Orten Heinsdorf und Ruhlsdorf an das Kloster Zinna zu veräußern. Sollte diese Vermutung zutreffen, so kann hieraus der Wüstungseintritt Diekes vor 1253/60 abgeleitet werden, was bereits die archäologischen Befunde wahrscheinlich machten. In der Folgezeit geriet das Kloster Zinna schließlich in den Besitz von Ruhlsdorf (1296-1305 oder 1307-1325) und Heinsdorf (vor 1480).

Als weiteren Aspekt der landesgeschichtlichen Analyse erscheint die Entwicklung der Gottengnadener Vogteirechte erwähnenswert. So wie Willy Hoppe den Hintergrund für den Verkauf des Burgbezirks Luckenwalde darin begründet sieht, daß die Verkäuferpartei von Richow in die Dienste der Herzöge von Sachsen-Wittenberg gelangte und dadurch ihrem Besitztum entfremdet wurde, läßt sich für das Kloster Gottesgnaden ebenfalls feststellen, daß die Vogteirechte vor 1276 an die sächsischen Herzöge gelangten. Auch hier wäre eine vorübergehende Entfremdung der entfernt im erzstiftisch-magdeburgischen Land Jüterbog gelegenen Besitzungen anzunehmen, sofern diese noch zu dieser Zeit dem Kloster Gottesgnaden gehört haben sollten. Dieses ist umso mehr anzunehmen, wenn von einem vorangegangenen Wüstungseintritt bei Dieke und Rothe ausgegangen wird. Die Vogteien über das Kloster Gottesgnaden und zu Richow fielen 1276 zunächst als Unterpfand und 1277 dann endgültig an das Erzstift Magdeburg zurück.

Interessant ist der Umfang der bereits erwähnten Ausstattung, die das Kloster Gottesgnaden dem angeschlossenen, in 1280 an das Zisterzienserkloster Sankt Lorenz in Magdeburg abgegebenen Frauenkonvent mit auf den Weg gab. In diesem Zusammenhang wurden dem empfangenen Kloster neben der im 12. Jahrhundert erworbenen Jüterboger Hauptkirche nur die beiden Dörfer Höfgen und Eulenau übereignet. Dieke und Rothe werden weder hier noch in einer detailierten Güterübersicht, die das Kloster Gottesgnaden 1300 erstellte, erwähnt. Diese Sachverhalte machen die Abgabe der gesuchten 50 Hufen zwischen der Letzterwähnung Diekes in 1183 und vor 1280 sehr wahrscheinlich. Es ist kaum anzunehmen, daß das Kloster Gottesgnaden diese Güter nicht mitgegeben hätte, sofern sie noch in seinem Besitz gewesen wären. Sofern sie nur aus diesem Grunde nicht zur Ausstattung gehört haben sollten, weil sie bereits Wüstungen darstellten, kann zumindest eine Abgabe vor 1300 als gesichert angesehen werden.

Da sich direkte Geschäftsverbindungen zwischen dem Kloster Gottesgnaden und dem Kloster Zinna nirgendwo nachweisen lassen, kann davon ausgegangen werden, daß diese Besitzungen zunächst wieder an den Landesherrn zurückgelangten. Da sich Urbare des Erzstifts Magdeburg für die in Frage kommende Zeit nicht erhalten haben, kann dieses jedoch nicht nachgewiesen werden. Nach Feststellung der nur lapidaren Bezeichnung in der Gottesgnadener Klosterchronik um 1195 betreffend die Besitzungen im Land Jüterbog fällt die Annahme nicht schwer, daß bereits bei der möglichen Übertragung an den Landesherrn im 13. Jahrhundert die Ortsnamen von Dieke und Rothe nicht mehr bekannt waren. Zudem war eine lange Zeit verstrichen, bis der magdeburgische Erzbischof in 1419 die hier als Rothe angenommene Feldmark nur noch als „merica deserta“ zu bezeichnen wußte und sie an das Kloster Zinna übertrug. Ebenfalls vor 1480 müßte auch die wüste Feldmark Dieke an das Kloster Zinna gelangt sein, wofür jedoch eine konkrete Nachricht fehlt. Auch hier ist anzunehmen, daß diese Übertragung ebenfalls nicht mehr unter Verwendung des Ortsnamens erfolgte. Einen möglichen Hinweis auf die wüste Feldmark Dieke stellt eine Angabe im Landbuch des Klosters Zinna dar. Bei dem Klosterdorf Jänickendorf wird die Angabe hinsichtlich weiterer 15 Hufen mit der Bemerkung „davon man itzo nichts weis“ ergänzt. Sie werden sich wahrscheinlich eher auf die angenommene wüste Feldmark Dieke beziehen und nicht auf die wüste Feldmark Hohendorf, die zwar 1708 mit 15 Hufen überliefert ist, jedoch dem Kloster Zinna als Pfandbesitz - bis 1475 und nach 1530 - bestens bekannt gewesen sein dürfte und nur aus diesem Grunde keine Erwähnung in dem Zinnaer Landbuch des Jahres 1480 fand. Auch die sonstigen wüsten Feldmarken Heinsdorf, Ruhlsdorf und die als Kalows Acker tradierte „merica deserta“ aus der Übertragung von 1419 werden im Landbuch unter Jänickendorf aufgeführt. Demnach sind diese unbekannten 15 Hufen auf eine weitere Fläche zu beziehen, vermutlich auf die angenommene wüste Feldmark Dieke, welche sich östlich an die Jänickendorfer Feldmark anschloß.

IV. Ergebnis

Der Besitzerwerb des Klosters Zinna stellte sich wohl doch differenzierter dar, als es bisher angenommen wurde. Nach den Lokalisierungsansätzen der letzten Jahrhunderte wird der weitere Verbleib der gesuchten Wüstungen Dieke und Rothe nun erstmalig mit der zielgerichteten Besitzausdehnung dieser Zisterze in Verbindung gebracht. Das Schicksal von Dieke und Rothe ist demnach nicht nur ein Bestandteil der Prämonstratenser-, sondern auch der Zisterzienserforschung. Aufgrund der geschilderten Sachverhalte mußten alle frühen Versuche scheitern, den weiteren Verbleib dieser Feldmarken nach dem 13. Jahrhundert in einem Zusammenhang mit dem Kloster Gottesgnaden oder seinem 1280 abgegebenen Frauenkonvent zu sehen. Die als Falschlokalisierung verifizierte Konstruktion, die Dieke und Rothe mit Luckenwalde in Verbindung bringen wollte, stand im Schatten einer frühen Ortsnamenunsicherheit, der Mehrfachexistenz gleichnamiger Orte und schließlich einer Überbewertung eines schlichten Flurnamens. Endlich wurde vor wenigen Jahren durch die Sicherstellung der Wüstungen Heinsdorf und Ruhlsdorf bei Jänickendorf die zutreffende Richtung in Anfängen vorgegeben, an welche dieser Rekonstruktionsversuch anzuknüpfen hatte.

Die bisher befriedigenden siedlungskundlichen Kenntnisse des südöstlichen Jüterboger Umlands können nunmehr um die hier erzielten Ergebnisse für das nordöstliche Umland ergänzt werden (Abb. 5).

Die Namensgeber der nördlich der Fläminghochfläche lokalisierten Dorfstelle Dieke düften mit hoher Sicherheit Siedler aus dem niederländischen Raum gewesen sein. Hier zeigt sich, daß der Begriff „Fläming“ - hier „Niederer Fläming“ - aktuell eher geographisch für die Hochfläche verwendet wird, aus siedlungskundlicher Sicht jedoch weiträumiger zu fassen ist.

Auch wenn die Ersterwähnung von Dieke und Rothe wohl doch erst in den Zeitraum 1173/74 statt 1161/74 zu setzen ist, ergibt sich aufgrund ihrer entfernten nordöstlichen Lagen zum Hauptort Jüterbog ein interessanter Hinweis auf die Anfangsphase der frühdeutschen Besiedlung im Land Jüterbog. Die sonstigen überlieferten Orte des Landes Jüterbog, welche bereits bis 1174 erwähnt wurden, befinden sich nach diesen Lokalisierungsergebnissen ausnahmslos westlich der Ortswüstungen Dieke und Rothe und bedeutend näher bei Jüterbog.

Insofern darf bei den hier behandelten Ortswüstungen einer eventuellen Intensivierung archäologischer Untersuchungen mit Interesse entgegengesehen werden.

 

Abb. 5: Orte und Ortswüstungen im östlichen Jüterboger Umland in den Gemarkungsgrenzen um 1900
(Wüstungsnamen sind kursiv und mit vorangestelltem + dargestellt)